Bitte nicht schubsen! Ich habe einen Joghurt im Rucksack.

Ich fühle mich schlecht. Richtig schlecht. Und nur für jeden, der schon innerlich aah-t und ooh-t, ich habe nicht geschrieben "mir geht es schlecht". There's a difference. Warum fühle ich mich also so schlecht? Mehrere Gründe. Zunächst wird jeder, der mich wirklich gut kennt wissen, dass ich mich schlecht fühle, wenn ich meine eigenen Ansprüche an mich selbst nicht erfülle. Wobei.. nein, da ärgere ich mich eigentlich mehr über mich und anstelle die Ansprüche dann zu senken, raus aus der Perfektionismusfalle bla, sage ich mir "jo, musste halt beim nächsten Mal höher springen". So ist das mit mir. Nein, schlecht fühle ich mich eigentlich nur mit einem schlechten Gewissen, das aber oft und dann auch so richtig, gerne auch schon da, wo andere noch sagen "Häh, sehe ich jetzt das Problem nicht" oder schon bevor überhaupt irgendetwas passiert ist. In diesem Fall ist es mir (zusätzlich zu der Tatsache, dass es schon wieder 1 Woche her ist, seit ich hier etwas habe lesen lassen) fast schon wirklich peinlich, mit welchem ex ante Bashing nicht-deutscher Gruppenmitglieder oder generell der Konstellation in Gruppenarbeiten ich im vergangenen Eintrag zu Felde gezogen bin. Oder wie man da sagt. Nach dem Gießkannenprinzip habe ich fröhlich meine in 5 Jahren Studium (oh Gott, ja ich studiere schon 5 Jahre und bin immer noch nicht fertig) akquirierten Erfahrungen mit TEAM (Toll Ein Anderer Macht's) und dahingehend umgewandelten Ressentiments noch vor den ersten Treffen meiner aktuell 6 Group Projects über alle anderen außer mir ausgegossen und das weder zu knapp noch zu höflich. Im Nachhinein habe ich mir fast schon überlegt, den Eintrag noch mal zu bearbeiten, so unangenehm war mir das. Da es sich ja hier aber auch um die Dokumentation einer Persönlichkeitsentwicklung (vielleicht) handelt und ich mir ja außerdem meine Ehrlichkeit und Authentizität auf die Fahnen schreibe (die zugegeben öfter mal mit mir durchgehen und ich dann wieder zurückrudern muss, wie jetzt gerade), bleibt das jetzt so. Zurück also zu den Geschehnissen der vergangenen Woche, aufgrund derer ich getätigte Aussagen fast komplett revidieren werde müssen bzw. das sehr gerne tue. Erstes Gruppentreffen Dienstag, das mit den 3 Indern, der Japanerin und der Singapurerin (bei der letzten bin ich mir nicht sicher, das könnte auch was anderes ländermäßig sein). Natürlich darf auch bei den Group Projects dieses Jahr der obligatorische Banken Case nicht fehlen, ich liebe ja Banken Cases, gerade da besonders, wo man thematisch nicht mit ihnen rechnet, weil der Kurs einen anderen Schwerpunkt hat, aber mei. Die Inder sprechen außergewöhnlich gutes Englisch, also wirklich richtig gutes und auch ansonsten kommen wir schnell ins Gespräch - etwas, was mir teils bei Deutschen nicht so leicht gefallen ist. Über Timing der Arbeit und wie wir es aufteilen, werden wir uns auch innerhalb von 20min. klar und auf meine Frage "Is anyone of you good with Excel, I mean, like really good?" nicken die beiden indischen Jungs bedeutungsschwer. Praktikum/a Banking oder Consulting tippe ich einfach mal. Das entbindet mich nun nicht von Überlegungen, was ich für meinen Teil der Fragestellung mit dem 30.000 Zeilen Excel-Sheet mache, grob umrissen geht es um Profitabilitätsanalyse, aber da fällt mir schon noch was hoffentlich pfiffiges ein zu. Nächstes Gruppentreffen Mittwoch. Es ist mir weder im Bachelor noch im Master jemals passiert, dass ich zum ersten Gruppentreffen komme und das Grundgerüst der Präsi steht bereits - und zwar nicht von meiner Seite. Gut, zugegeben, wir behandeln auch nur 2 Kapitel eines Buches und gehalten wird die Präsi morgen, man musste also irgendwann in die Puschen kommen, aber dennoch. Und ja, es waren zwei Deutsche, aber trotzdem, das hat mich positiv beeindruckt. Und mich natürlich veranlasst, mich wenigstens in die Gruppe der 3 Vortragenden reinzuquetschen, weil sonst hätte man ja gar nichts gemacht und sich auf den anderen ausgeruht, schlechtes Gewissen und so. Donnerstag gleich 2 Treffen hintereinander und oh Wunder, festgestellt, dass der blonde deutsche Kommilitone, von dem ich im vergangenen Eintrag sprach, bei mir in der einen Gruppe ist und sich persönlich dafür eingesetzt zu haben scheint, dass zumindest bei uns noch ein Deutscher dazukommt bzw. tauscht. Also auch eine Tatsache, von der ich aller Voraussicht nach profitieren werde, bei der man aber vorher klassisch Nina erst mal rumgenölt hat. Bei dem anderen war zwar nichts spektakulär neues, aber zumindest kann ich jetzt mit Fug und Recht hoffen, hier echt mal ziemlich motivierte, organisierte, nicht-deutsche (!) Mitglieder über alle meine Arbeiten hinweg an Land gezogen zu haben (keine Vorschusslorbeeren) und das wäre doch auch mal was schönes. Gewissen ist jetzt bisschen weniger schwer, nachdem ich das loswerden konnte. 

Die andere Hälfte der Reuigkeit bezieht sich auf die Tatsache, dass ich es bisher weder geschafft habe mir einen gescheiten Plan anzulegen, was ich in Paris Sightseeing-technisch alles ansehen und erleben möchte, noch irgendetwas davon - ohne Plan - bereits realisiert hätte. Das macht mich bisschen feddisch. Gedanklich. Also vor 4 Wochen bin ich mal losgelaufen bis zu Notre-Dame und vor 2 Wochen habe ich einen untauglichen Versuch gemacht, mir 1 1/2 Flügel des Louvre anzusehen (wie abartig riesig ist der Laden bitte?!), aber ansonsten war's das. Ich will auch echt nicht rumheulen, weil es klarerweise darauf ankommt, was einem selbst wann wichtig ist - darauf hat man mich selbst erst neulich wieder hinweisen müssen - und dass man sich dann auch daran halten sollte und zumindest hat scheinbar momentan die Uni gedanklich Priorität bzw. ich schaffe es schlecht, auch mal abzuschalten oder einfach die unschaffbare To Do Liste unschaffbar sein zu lassen. Dass das so bleibt, ergo ich am Ende von 8 Monaten meinen Schreibtisch, die Bib und eine Handvoll andere Sachen hier gesehen habe, will ich aber natürlich auch nicht und ich erwähnte mal, dass ich mir beizeiten selbst die Pistole auf die Brust setzen muss. Daher jetzt die Ansage, dass ich bis zum nächsten Eintrag mind. eine ausgetüftelte Liste werde vorweisen können und dass ich in der Lage bin, nach erfolgtem Besuch die aktuelle Hermès-Ausstellung «Dans lœil du flâneur» zu rezensieren. Das mal als ambitionierte Ziele quasi.

Stand meine Wohnung. Nachdem ich vor einer guten Woche meine IKEA-Lieferung in Empfang nehmen durfte und mich im Nachgang unerwartet geschickt beim Aufbau von KALLAX und HEMNES angestellt habe (Anmerkung: ich habe im Umgang mit Schraubendreher, Inbusschlüssel und was es da sonst noch gibt ein ähnliches Anti-Talent wie im Umgang mit Autofahren und jeglichen Musikinstrumenten - es ist fast tragisch) nimmt meine Wohnung form an. Momentan wird noch die Dusche neu gefliest, weswegen von den Handwerkern noch alle möglichen Kachel-Utensilien rumstehen und eine feine Staubschicht in etwa alles im Bad bedeckt. Aber der Rest ist relativ fertig. Und deswegen gibt es unten nun auch endlich mal Bilder. Genauso wie vom Hoodie (wie versprochen). Und von der Treppe. Damit mal endlich alle wissen, wovon ich rede, wenn ich unübertrieben sage, dass dies meine persönliche Vertigo (abgefahren: vertiginös ist das Adjektiv zu schwindelig) ist. Oder mein Waterloo wird. Passt beides. Jedenfalls stehe ich immer noch tagtäglich und nachtnächtlich mehrmals am wortwörtlichen Abgrund mit Stufen, auf die gerade noch Füße Schuhgröße 26 passen und fühle mich wie der kleine Vogel: Bitte nicht schubsen! Ich habe einen Joghurt im Rucksack. Die Treppe wird sich auch bekanntermaßen nicht ändern, aber vielleicht ändere ich mich. Ich bin heute seit 4 Wochen hier, 33 kommen noch.

Bisous, Nina.

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