Mit seiner Ausstellung «Dans l’œil du flâneur» präsentieren das Haus Hermès, Kurator Bruno Gaudichon, Designer Hubert le Gall und Kreativdirektor Pierre-Alexis Dumas, ein für mich so empfundenes fragmentarisches Hybrid aus Alice im Wunderland, dem Kabinett des Doktor Parnassus und Jahrmarkt der Eitelkeiten. Eine sich konzeptionell nicht gerade bereitwillig öffnende Aneinanderreihung von Gängen und Räumen, die man am Ende von Ecken entdecken muss und von Objekten, die abwechselnd als gänzlich kontextlos dahingleiten oder sich gar als selbst dem letzten Hermès-Ignoranten familiäre Markenimmanenz aufdrängen.
Ein monochromes Kaleidoskop aus tanzenden Flitter-Lichtern auf den Boden projiziert.
Radierungen historischer Spazierstöcke aus der Sammlung Emile Hermès.
Ein riesiger weißer Schrank, zu betreten, zu durchschreiten und zu verwechseln mit dem Tor zu Narnia.
Gestapelte, kürbisfarbene Signature-Boxen diversester Formate.
Eine Wand voll Kelly Bags über die Zeit, die einen Zunge rausstreckenden Pferdekopf umrahmen.
Ein Schachbrett unter einer Glashaube: Turm, Bauer, Springer, König, Dame aus Manschettenknöpfen.
Der in den Porzellanladen zwischen feinstes China gequetschte Elefant.
Eine in tropischen Farben gehaltene und offen gestaltete Vogelvoliere.
Bizarre Einkaufspassagen mit hinter Gittern befindlichen Spiegelerkern.
Ein Nerz bezogener Motorradhelm.
Ein Sattel gänzlich aus samtenen Flechten in hellem Tangerine.
Ein hölzerner Spazierstock mit bemütztem Gnom-Griff.
Ein antikes Fernrohr und petrol-, arktis- und farnfarbene Äuglein.
Die Überdachung des Ausgangs in Form eines filigranen Scherenschnitts, der ebenso gut ein Palast in Rajasthan sein könnte.
Sie ist ambivalent as ambivalent can be. Für jeden zugänglich, da kostenlos, greift auch Hermès das Konzept der Demokratisierung von Kunst im Luxusbereich auf - wie es bereits von Louis Vuitton in Form der (ebenfalls keinen Eintritt verlangenden) Espaces in Paris, Tokyo und München zelebriert wird. Eine Art edukativer Ansatz, der bei LVMH einerseits dem persönlichen Anliegen von Bernard Arnault geschuldet ist und andererseits dem globalen Trend sozialer shifts, casualisation und der exhibitionistischen Generosität von Luxushäusern, dass sie es sich „leisten“ können, ohne Einnahmen, nur auf ihrer Marke Späße wie ebendiese Ausstellungen zu tragen. Die Luxusgüterindustrie ist ein faszinierendes paradoxes Konstrukt, welches logische und betriebswirtschaftliche Gesetze außer Kraft zu setzen scheint, vielmehr kreiert sie ihre eigenen Maximen und wer sich auf sie einlässt, darf vielleicht an einer elitären, exklusiven Ideologie partizipieren, wer dazu nicht in der Lage oder nicht willens ist, wird – natürlich niemals explicit – aber subtil in „Crétin“ abgelegt. In diesem Fall zeigt sich die omnipräsente Exklusivität daran, dass zwar jeder reinkommt, aber trotzdem nicht jeder versteht, worum es geht. Mit zumindest einigermaßenem Zugang zur Marke, Vertrautheit mit ihrer Historie und minimalen Kenntnissen der französischen Sprache hat man eine Chance. Wie z.B. ich. Alles in der Ausstellung, sei es Prospekt, Wandbeschriftungen, Filmausschnitte, Musik oder die Begrüßungen, ist ausschließlich auf Französisch, kein Englisches Wort findet sich von Anfang bis Ende – was gerade bei Kurztexten, die sich literarisch, intellektuell und philosophisch mal so richtig austoben, echt hart wird. Ein tatsächlich erkennbarer oder kuratorischer Ansatz bleibt für mein Dafürhalten ein wenig auf der Strecke, andererseits schreit es auch nicht nach Selbstbeweihräucherung und extrem manipulativem Marketing. Sollte ich mich an eine gesamthafte Bewertung wagen, so würde ich sagen: nicht erwartbar, been there done that und für mich als Eklektiker, der sich eh nur die Sachen raussortiert, die mir gefallen eine amüsante Zerstreuung. Für jeden, der die Ausstellung nicht sehen hat können oder wollen, platt ausgedrückt: keine Dramatöse.
Bisous, Nina
Praktische Informationen
Dans l'œil du flâneur, 18. September bis 5. Oktober 2015.
Paris Rive Gauche, Pont de la Concorde, Berges de Seine. Port de Solférino.
Täglich 11-19 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr, am 3./4. Oktober bis 2 Uhr morgens im Rahmen der Nuit Blanche. Eintritt frei, Reservierung empfohlen.
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