"21 Euro für die Käseplatte kann man sich schon mal rauslassen. Macht man ja nicht ständig."

Ich update mal: ich huste und schniefe und rotze vor mich hin, seit 1 1/2 Wochen geht das jetzt so. Ziemlich genau seit meinem letzten Blogpost. Dank der wunderbaren Anwesenheitspflicht, die man an der ESCP hat, weil sonst alle Franzosen in keine einzige Vorlesung gingen, muss man sich also in jeder Session eintragen oder aufrufen lassen und wenn man nicht da ist, fliegt man aus dem Kurs. Also wenn man mehr als 1x fehlt. Oder mit ärztlichem Attest. Da ich aber nicht irgendeinem bebrillten, beschnurrbarten, mittelalten Docteur généraliste gedenke hier €200.- für einen Wisch in den Rachen zu werfen, in dem er mir meine Erkältung abstempelt, schleppe ich mich jeden Tag hin, obwohl im Bett bleiben mal ganz angesagt wäre. Entsprechend verteile ich meine Viren, Bazillen und Rotzfahnen auf dem Campus, huste alle im Mode "offene Tuberkulose" an und es geht mir natürlich überhaupt nicht besser. Zur allgemein gereizten Stimmung möchte man beitragen, dass ich in terms of Gym von 100% auf ca. 5% gegangen bin und mittlerweile aufgrund mangelnder Kondition und schwindender Bemuskelung schon mit durchschnittlichen Treppen meine Schwierigkeiten habe. Naja. Und ungefähr im Quadrat springe wegen Ausgleich und so. Aber gut. Es kommen auch wieder gesunde Zeiten, kein Mensch ist ewig erkältet. Und dann geht auch das mit der Gym wieder, ick freue mir schon drauf.

Glücklicherweise wurde ich am Wochenende besucht von jemandem, der sich auch 2 1/2 Tage mit mir in die Wohnung setzen würde, wenn es mir dadurch besser ginge und dem es nicht primär um Paris anschauen geht. Und natürlich habe ich auch protestiert: "Also ist mega lieb, dass Du es mir anbietest, aber ich sitze nicht zuhause und glotze die Wand an und warte bis sich der Husten in Luft auflöst. Jetzt, wo Du mal da bist, machen wir auch was!" 

Das "Was" (und am Rande bemerkt ein einfach wunderschönes Wochenende) lässt sich also folgendermaßen zusammenfassen und in den Bildern anbei ein bisschen nachvollziehen. Ich habe versucht, möglichst wenig Pärchen-Selfies zu includen. Freitagmorgen noch Vorlesung, haben wir uns am Nachmittag zuerst mal das Panthéon (Grabstätte von Marie Curie, Voltaire, Victor Hugo und auf einem Hügel gelegen) angesehen und wollten dann eigentlich noch durch den Jardin du Luxembourg lustwandeln. Das hat aber nicht geklappt, weil Gärten hier gerne auch mal um 5 zumachen und wir das entsprechend postponen mussten. Weil ich unbedingt mal ins berühmte, typisch Pariserische (oder sagt man "Parisische"?) Café de Flore wollte, haben wir das als nächstes angesteuert und uns für die kulinarisch interessante Kombination aus Cola zéro, heißer Schokolade und einer Käseplatte entschieden. Formidable! [wie der Franzose sagt]. Man durfte hier tatsächlich auch den Auftritt des ein oder anderen mäßig oder schlecht gebotoxten Paradisvogel bezeugen - stilecht zum Interieur gehörig mit Marc Jacobs Macbook-Sleeve, Sonnenbrille gigantomanischer Dimensionen (2/3 des Gesichts müssen bedeckt sein) und einem eigens kredenzten Haus-Fruchtcocktail. Es war unterhaltsam, aber sehr cool, in fact. Wir haben dann noch eine Runde mit der Métro gedreht, durch den Monoprix und den Abend in einer Bar in meinem Viertel ausklingen lassen.

Wetter am Samstag bombig, im Sinne von Regen, Regen, Regen. Wir sind erst mal im Marais gestartet, um für T. sein obligatorisches pain au lait au ganache (Milchbrötchen mit hausgemachter Schokoladencrème) zu besorgen und für mich im Starbucks vorbeizuwackeln. Und weil die da in der Nähe liegen auch gleich noch zum Adidas Store und zum Nike Lab, einem sehr innovativen Concept Store. Wir wollten danach weiter zum Musée d'Art Moderne de Ville de Paris in eine der aktuellen Ausstellungen, Warhol Unlimited, weil aber die Frau nicht auf den Mann hat hören und vorher Tickets online kaufen wollen, standen wir dann also vor dem Museum und faceten eine endlose Schlange. Eine endlose Schlange an Regenschirmen, denn, wir erinnern uns: es regnete ja in Strömen. Und ich danke Dir, Du bist auf dem Punkt "ich habe es Dir ja vorher gesagt" nur zu einem minimalen Ausmaß herumgeritten und direkt gesprungen zu: "Was lernen wir daraus, Nina? Wenn Dir Dein Mann etwas sagt, dann machst Du es einfach, okay?" "Okay, Mann. Also for majority of future situations." Aus der Not eine Tugend machend oder wie das heißt, habe ich initiiert, in das direkt daneben liegende Palais de Tokyo zu gehen, eigentlich Location für moderne, sehr provozierende Kunstausstellungen. Da da aber momentan nichts zu sehen ist, haben wir uns in dem Photobooth ein wenig Dummheiten mäßig ausgetobt - es war großer Spaß. Noch einmal zackig durch den Museumsshop gezogen und uns dann überlegt wie wir weitermachen mit dem Regentag. Die Galerie Vivienne wird im Reiseführer als "Besonderheit" angepriesen, in der Tat gibt es wenig überdachte Einkaufsgalerien, in denen die Zeit so sehr stehen geblieben zu sein scheint wie hier. Es mutet fast antiquarisch, nostalgisch und gänzlich antikommerziell an, ein wenig morbide, aber gleichzeitig sehr goldig. Lichterketten, ein Weinladen, alte Buchgeschäfte, natürlich ein plüschiges, rot besamtetes Café (was sonst?) - man sollte mal dagewesen sein. Aber kaufen tut man hier nichts, Konsum gehört hier offenbar nicht zum Prinzip oder Selbstverständnis dieser Galerie.

Da besagtem Konsum oder zumindest Windowshopping aber auch noch ein bisschen gefrönt werden will, haben wir noch 1-2 Sneakerläden ausgecheckt, sehr cool vor allem Sneakersnstuff, in dem ich mich ein bisschen in dieses Modell der Nike Air Force 1 Ultra Flyknit verknallt habe. Erwerbsdatum ist aber noch nicht mit mir selbst final vereinbart. Über die Rue Montorgueil mit ihren vielen Bars und Restaurants und Streetart, über einen weiteren Sneakerladen, Size? bei den Forum Les Halles laufen wir zu der Bar, die wir uns für den Abend ausgeguckt haben: Le Fumoir. Ein Big Easy Fizz, ein Campari Orange und ein «fromage de chèvre, aubergines, tomates séchées, courgette et basilic sur tartine toastée» später, beschließen wir, dass man hier durchaus noch mal hinkommen kann, eigentlich eine sehr fancy Bar, wenngleich wir den explicit beworbenen "Neokolonialstil, Oldtime-Jazz und das Mahagoni-Interieur" jetzt nicht diiiirekt gefunden haben. Aber mei. Auf jeden Fall sehr empfehlenswert für alle "nach-Empfehlungen-für-Paris-Sucher" unter den Lesern meines Blogs.

Am Sonntag einen halbregnenden, aber sehr windigen Spaziergang durch den Jardin des Plantes, durch den kostenfrei zugänglichen Bereich dessen Ménagerie (in dem sie die scheinbar kontinentaleuropäische Sorte Wallabys haben, OMG), über den Quai Saint-Bernard an der Seine entlang, über den Boulevard Saint-Germain zu einem neuen Starbucks und final noch mal in den Jardin du Luxembourg. Das ist die Kurzzusammenfassung, aber der Sonntag soll auch eh nicht den Fokus des Berichts bekommen, denn ich mag Sonntage nicht, wir mögen Sonntage nicht und man braucht sie auch nicht. Sonntage sind tote Tage, sie sind zu nichts zu gebrauchen, warum können wir nicht zwei Samstage stattdessen haben? Sonntage bedeuten Abschied und allein sein und warten auf Montag. Und das ist zum Beispiel etwas, was ich mit den meisten Menschen nicht gemein habe: Montag ist gar nicht der Feind, auch wenn das viele Menschen glauben oder finden. Montag gehen die Trubeligkeit und die To do's wieder los, man hätte wieder die Freiheit, in alle Geschäfte zu gehen, wenn man wollte - welche man Sonntags nicht hat, selbst wenn man gar nicht wollte. Das wäre daher auch einer meiner Wünsche an die Gesellschaft der Zukunft: keine sonntäglichen Charakteristika, Regularien und Limitationen mehr, stattdessen zwei Samstage. Und das wäre daher auch einer meiner Wünsche an mein Leben der Zukunft: Dir nicht mehr an Sonntagen auf Wiedersehen sagen zu müssen, nicht mehr wissen zu müssen, dass ich am Morgen mit Dir aufstehe, aber am Abend nicht mit Dir ins Bett gehe, nicht mehr den ganzen Tag den antizipierten Schmerz des Abschieds verdrängen zu müssen, wissend, dass es nichts hilft. Einfach Sonntage nicht mehr scheiße finden. Das wäre doch was.

(ansteckende) Bisous, Nina.

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