Gestern 1 Jahr.

So meine Lieben. Nun kommt sie endlich: die Paris-Review. Oder weniger gestochen ausgedrückt: einfach ein Rückblick. Es wird auch keine Gesamtwürdigung oder - wertung geben, vielmehr eine Aufzählung von Gefühlen und Gedanken, die ich dazu habe und hatte. Heute vor 1 Jahr und 18 Tagen. 30. August 2015. Ich weiß noch genau wie ich an einem Sonntag Nachmittag in meiner Wohnung mit meiner Mutter angekommen bin, nicht ahnend wie intensiv das vor mir liegende knapp Dreiviertel Jahr werden würde. Was alles passieren würde, welche Menschen in mein Leben treten und es wieder verlassen würden, wie ich mich selbst verändern kann und habe. Mit Fug und Recht kann ich sagen: es war die intensivste Zeit meines Lebens. Und es war auch die härteste, ehrlich gesagt. Und das von jemandem, der schon mal in Indien gelebt hat und der von sich selbst gerne als "zäh" spricht.

 

Noch nie habe ich mir so viel gleichzeitig zugemutet, noch nie bin ich so sehr an meine körperlichen und seelischen Grenzen gegangen. Noch nie war ich im Nachhinein so stolz, das geschafft und überstanden und auch noch erfolgreich beendet zu haben.

Ich habe noch nie so sehr einen Ort in kollektiver Trauer gespürt, noch nie habe ich erlebt wie sich eine Stadt über Wochen und Monate hinweg wieder aufrappelt. Wie sich Menschen nicht brechen lassen, obwohl schreckliche Dinge nicht aufhören zu geschehen.

Noch nie habe ich so viel Kunst und Museen an einem Platz geboten bekommen, noch nie eine so wunderschöne Stadt gesehen - die einen sich am Ende des Tages doch ziemlich allein fühlen lässt. In der Tat habe ich noch nie in meinem Leben in 8 Monaten in so vielen verschiedenen Bereichen Dinge erlebt und erfahren und daraus gelernt wie in dieser Zeit. Besagte Learnings sind wahrlich mannigfaltig und verschiedenartig und sehr persönlich - aber ich wollte sie nicht missen und ich wollte sie nicht anders erlangt haben. Alles was passiert, ist bekanntermaßen für etwas gut. Und sei es nur dafür zu erkennen, dass wir tatsächlich alles haben und erreichen können, was wir wollen und dabei am Ende dennoch so unglücklich sein könnten wie nie zuvor. Weil unsere Intuition scheinbar nicht so schlau ist, zu erkennen, dass das, was wir denken und fühlen zu wollen einfach ganz oft nicht das ist, was uns die ersehnte Zufriedenheit oder Befreiung bescheren würde. Und das ist ein sehr erdender Gedanke, weil er uns auch mal bremst und reflektieren lässt, ob nicht nur grad alles läuft, sondern auch ob die Richtung nicht rückwärts und bergab ist. 

 

Ich habe so ein Word-Dokument bei mir auf dem Desktop liegen, das da ganz unprätentiös heißt: "Blog Themen". Hier notiere ich mir Gedanken, Stichworte, Links, die ich im Blog erwähnen oder aufbereiten möchte und die ich andernfalls zu vergessen befürchte, würde ich sie nicht festhalten. Für Paris stehen da folgende Punkte und sie erheben weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch sind sie besonders Paris-aussagekräftig. Aber sie betreffen mich und darum geht es hier schließlich unter anderem, um meine Sicht auf Erlebtes. Als erstes steht da also:

 

Hingefallen 2x

Tatsächlich habe ich meine panische Angst vor einem Treppensturz in meiner Wohnung bis zum Schluss nicht verloren. Tatsächlich ist es mir auch gelungen, sie nicht Wahrheit werden zu lassen. Ich bin original in 8 Monaten nicht ein einziges Mal die Treppe rauf- oder runtergefallen. Rischdisch. Der intelligente Leser fragt sich nun zu Recht, warum dann der Absatz so heißt. Ich bin in meinen letzten Wochen gleich 2x richtig fett hingefallen, nur 1x war allerdings eine Treppe involviert. Es begab sich also zu der Zeit eines Samstag Nachmittags, ich in mittleren Zügen der Masterarbeit, im Starbucks in der Nähe von Hôtel de Ville. Mir oben schon ein Plätzchen gesichert (was dem Deutschen auf Mallotze sein Handtuch auf der Liege ist, ist meine Tasche, meine Jacke und mein Mac auf mindestens 2 Stühlen an der Fensterfront im Starbucks), bestellte ich mir einigermaßen mutig zu meiner Standard-Bestellung (Venti Cappuccino mit Magermilch, normaler Espresso, bitte keine Kenya-Bohne-Faxen und auch nur 1 Shot) noch einen Tall Refresha Very Berry Hibiscus (einfach um es mal ausprobiert zu haben und weil mir noch nach was kaltem, fruchtigen war). So. Insgesamt kann man das Teil übrigens sogar noch empfehlen, wenngleich ich nicht sicher weiß, ob es in den Wintermonaten dem Starbucks-Sortiment erhalten bleibt. Anyway. Ich mit meinen 2 Bechern und einem Portemonnaie unterm Arm straight Richtung Treppe, was einem natürlich kein Schwein sagt, ist dass die Stufen unterschiedlich hoch sind. So was passiert einem auch in Deutschland nicht, da werden bei Bauvorhaben noch rechte Winkel und DIN beachtet. Nicht so in Frankreich. Die eine Stufe war also 1.5x so hoch wie die letzte, eine Tatsache, die ich auf das Balancieren meines Gesöffs konzentriert nicht zu würdigen in der Lage war. Es schlägt mich also der Länge nach hin, in diesem Fall das klassische "Treppe rauffallen", ich liege in einem See aus Cappuccino, Refresha, Eiswürfeln und ganzen Brombeeren. In solchen Momenten denkst Du Dir: mein Leben läuft. Dein Leben läuft übrigens noch umso mehr, wenn anwesende zumeist französische Gäste Dich kurz eines mitleidig-abschätzigen Blickes bedenken, sich direkt wieder ihrem Gesprächspartner oder ihrem - welch' Glück - nicht vergossenen Getränk zuwenden und Dich nicht fragen, ob Du verletzt seist, ob man Dir helfen könne. Okay, gebe ich zu, wäre auch zu viel verlangt. Stattdessen steigt man ohne mit der Wimper zu zucken über Dich drüber, bedacht, nicht mit den Füßlein den Getränkesee zu berühren oder auf den Eiswürfeln auszurutschen. Ich, zu dieser Phase nervlich gespannt wie noch was, fange erst mal theatralisch das Schluchzen an - nicht weil mir meine Verletzungen so weh täten, sondern einfach weil es so eine Scheiß-Kombination aus allem möglichen ist. Ich warte noch so 10-15 Sekunden auf der Treppe kauernd, aber nee, es hilft keiner. Gut. Ich schmeiße die Überbleibsel meiner zermatschten Becher in den Mülleimer, nehme mir kurzerhand alle Servietten aus dem Spender und wische die Treppe, zumindest mal notdürftig. Ich opfere auch noch alle meiner Tempos, die Stufen sind trotzdem immer noch weit entfernt von trocken oder sauber. In diesem Zustand (aufgewühlt und mit Cappuccino-Laufleggins) ist an Arbeiten nicht zu denken, ich streiche für heute die Segel und packe mein Zeug. Im Hinausgehen rege ich einen der Barista an, den Aufgang zu säubern, ich habe dort versehentlich etwas verschüttet, nicht dass noch jemand stürze. Kommentar: ja, habe er schon gesehen, wegen mir könne er jetzt den Wischmopp schwingen, toll gemacht. Meine von Tränen zerlaufene Wimperntusche, meine blutenden Handgelenke und mein tropfendes Outfit könnten ihm egaler nicht sein. Ja. Toll gemacht, Nina. Ich denke mir: f*** you.

 

 

So. Mittlerweile habe ich da nur noch 2-3 ansehnliche Narben, aber gut, bisschen Schwund ist ja immer. Ein paar Wochen vorher, mein zweiter glorioser Hinfaller, bin ich übrigens an Ostern im Vier Jahreszeiten in München beim aus-der-Dusche-Steigen ausgerutscht. Schön, wie man es kennt, nasse Füße, Marmorboden, Steißbein auf die Duschschwellenkante. Läuft. Dieser Moment, wenn du denkst, Du kannst nicht atmen. Unbezahlbar. Die blauen Flecken an Hüfte und Oberschenkeln, als habe man Dich mal ordentlich vertrimmt übrigens auch. Aber so viel zu meiner Fall-Karriere 2016.

 

Master Thesis

Wie auch bei meiner Bachelor Thesis habe ich zwischenzeitlich gedacht, ich drehe durch. Nun bin ich bekanntermaßen von der Sorte, die sich gerne mal unter immensen Druck setzt, die alles am perfektesten haben möchte und die im Tunnelblick völlig die Dimensionen vercheckt. Ich habe kaum noch geschlafen, nicht weil mir die Zeit gefehlt hätte, sondern weil ich so unruhig war, dass ich es nicht konnte. Ich habe auf dem Boden auf einem Kissen mit dem Mac gesessen und getippt, weil mir in jeder anderen Position der Hintern vom langen Sitzen zu weh tat. Ich habe mitten in der Nacht literweise Filterkaffee in mich reingegossen, weil ich dachte, biste quasi eh schon wach, dann Vollgas. Kurz um: ich habe mich völlig verrückt gemacht. Im permanenten Glauben, meine Arbeit sei schlecht - schlecht konzipiert, schlecht geresearched, schlecht geschrieben, schlecht halt. Ich habe irgendwann begonnen mein Thema zu hassen, ein natürlicherweise sich einstellender Zustand nach Wochen intensiver Beschäftigung damit. Weswegen ich nur jedem, der eine mehr als ein Literature Review oder Seminar Paper von 10 Seiten umfassende Arbeit zu schreiben gedenkt, egal ob Bachelor oder Master Thesis oder Promotion, raten kann: nimm' ein Thema, was Dich persönlich interessiert, was Dir am Herzen liegt, was Du wirklich liebst. Denn - und das ist leider der Sinn und Zweck von wissenschaftlichem Arbeiten - am Ende der Zeit wirst Du es hassen, Du wirst es zerpflückt haben, bis es thematisch völlig zerfleddert den Charme seines Ganzen verloren hat, Du wirst es einfach nicht mehr sehen können. Und diesen Punkt erreichte ich an einem Freitag Abend, dicke 6 Tage vor Abgabefrist, an dem ich nicht mehr die Kraft hatte, meine eigenen letzten 4 Seiten Conclusion Korrektur zu lesen. Ich hatte den Input zweier meiner liebsten Korrekturlese-Freundinnen eingearbeitet, die beide jeweils im Hinblick auf völlig unterschiedliche Dinge Korrektur lesen: die eine dank ihrer, meiner sehr ähnlichen Fast-Muttersprachlichkeit auf Nuancen in Grammatik hinweisend, die andere dank ihrer brillanten Kenntnis der Guidelines für Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten mich auf jede halbwegs schlampig referenzierte Quelle, falsch formatierte  irgendwas oder fehlende Seitenzahl stößt und mich mit liebenswerter Brutalität dazu zwingt, den ganzen Rotz zu bereinigen. Danke Euch beiden, Ihr seid Gold. Aber das wisst Ihr eh. Nachdem von den beiden also neben sämtlicher korrigierenden Anmerkung die Gesamteinschätzung gekommen war, der rote Faden sei durchaus erkennbar und die Arbeit insgesamt doch super, ich mit meinem USB-Stick straight zum Copy Shop. Völlig perplex ob der geringen Druck- und Bindekosten mit meinen drei Exemplaren direkt auch noch zur Post marschiert und eine Hard copy davon per Express nach London geschickt. Danach noch die Soft copy ans Prüfungsamt nach Berlin gemailt und feddisch. 

Im Juni habe ich das Ding in einer selbst für mein Dafürhalten recht guten Präsi verteidigt und seitdem das ganze mental abgeschlossen. Ein literarisches oder forschungsrelevantes Meisterstück ist es meiner Ansicht auch nicht geworden, aber glücklicherweise war meine Ansicht hier weder ausschlaggebend noch notenentscheidend.

Mein gefühltes "schlecht halt" wurden übrigens letzten Endes im französischen Notensystem eine 18/20, was im Deutschen einer 1,2 entspricht etwa. Eine begeisterte Professorin inklusive. Klarer Fall von "nur knapp nicht durchgefallen" oder vielmehr "beschissene Selbsteinschätzung".

 

 

Patrizia wohnen

In den letzten Wochen hat eine Freundin, Patrizia (die mich auch zu dieser Veranstaltung in die Fondation Louis Vuitton begleitet hatte), bei mir gewohnt. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Wohnung wieder und ich darf sagen: in drei Wochen, die man gemeinsam auf 45qm verbringt, lernt man sich verdammt gut kennen und mögen. Danke Patrizia, für geistiges in den Arsch treten, für Aufbauen, für verständnisvolle Gespräche und dafür, dass Du so bist wie Du bist und mich so ertragen hast wie ich bin - nicht immer ganz easy to be with. Und danke (unter anderem) für den wunderbaren Nagellack, Chérie von Kure Bazaar! Mädels, aufgepasst: kaufen, die Harpers empfiehlt die Lacke übrigens hier auch..

 

Verrückte

Ich lasse mich zu der These hinreißen, dass es in Großstädten mehr Gestörte gibt. Einfach weil es mehr Menschen gibt und die Statistik hier hilft, aber auch weil die Menschen a) sich "mehr" einfallen lassen müssen, um sich von der Masse abzuheben und aufzufallen, weil b) eh keiner etwas dazu sagt, wenn Du modisch fragwürdige Looks als "Street Style" an den Start bringst oder Dich c) durch Verhaltensauffälligkeit zu center of attention machen musst. Zugegeben, ich war in London auch schon mal mit einer orangefarbenen Wollmütze im Club feiern, einfach weil ich's geil fand. Das ganze färbt also ab. Tatsächlich ist der spill-over Effekt aber derartig mächtig, dass auch Du als bisher halbwegs normal gepoltes Individuum beginnst, Deine geistige Verfassung anzuzweifeln oder Dir Sorgen um die eigene Psyche zu machen. Einfach ob der ganzen "inspirierenden Stimuli" quasi. Ein paar Beispiele: im Starbucks Nähe Louvre legt sich vor mir eine ältere Frau mit einer weißen gefalteten Papierblume in der Hand und einem grellpinken Turban auf dem Kopf auf den Boden und dreht sich im Kreis, singend. In einem anderen Café sitzt jemand, der scheinbar im Flow (oder im Delirium) mit 6 Stiften gleichzeitig manisch kritzelnd und gefühlt künstlerisch begabt an einem, Bild kann man es eigentlich nicht nennen, "Werk" malt. Im Jardin du Luxembourg gibt es einen Geher, der komplett in Kanariengelb - kanariengelbes Sonnenkäppi, kanariengelber kurzärmliger- und kurzbeiniger Ganzkörperanzug, kanariengelbe Schweißbänder, kanariengelbe Stulpen, kanariengelbe Turnschuhe und kanariengelben iPod mit dazu passenden kanariengelben Ohrstöpseln - unbeirrlich seine Runden zieht. Oder geht. Beim 20. Mal, das er an mir vorbeiwackelte habe ich aufgehört zu zählen. Und mich stattdessen dem Hamster oder der Hausratte an der Leine zugewendet, den zwei italienische sprechende Typen vor mir Gassi führten. "Sduarrde Littell" nennen sie ihn, ich habe das mit einem Video auf dem iPhone festgehalten (welch Jammer, dass ich immer noch nicht weiß, ob und wie man hier Videos hochlädt). Eine Woche später telefoniere ich mit meinem sehr guten Freund Philip in London, er meint das sei gar nichts: bei ihm würden sich die Leute Apfelsinenschalen hinter die Ohren klemmen in der Hoffung, dadurch kreativer zu werden. Ich bin beruhigt, es muss ein Großstadt-Phänomen sein.

 

3 Mots Pour Paris / 3 Words for Paris

Bitte einfach dieses amazing Video ansehen. Denn das ist Paris.

 

Come&Stay in Paris

Dieses auch. Denn auch das ist Paris.

 

 

Paris Guide

Zugegeben nicht von mir, aber von einer norwegischen Kommilitonin, Anniken, die auch zur gleichen Zeit dort war und die ebenfalls bloggt. Sie hat einen recht anderen Schwerpunkt beim Bloggen, aber in diesem Fall hat sie einfach ein paar Tipps - denen ich 100% zustimme.

 

WALK

ART

VIEW

FOOD

 

 

Noch einmal werde ich nach Paris zurückkehren, am 2. Dezember diesen Jahres zur Verleihung meines Zeugnisses und zur Feier abends. Ich nehme mit: Mama und Alfons und ein tolles Master-Ballkleid, das ich aber noch nicht habe.. stay tuned ;) 

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