"Oh Gott, ich glaube, er liebt Dich wirklich." - "Danke Mama."

Ich bekomme oft zu hören, dass einige meiner Themen, über die ich hier schreibe, mutige Themen seien. Welche, von denen sich andere nie trauen würden, sie in der Öffentlichkeit schriftlich auszubreiten. Ich fürchte, auch dieser Eintrag wird wieder so einer.

 

Seit einigen Wochen habe ich mich mit für mich bisher scheinbar unumstößlichen Maximen, Prinzipien auseinandergesetzt, sie gechallenged und mal wieder festgestellt, dass das Leben nicht schwarz oder weiß ist, sondern in der Vielzahl der Fälle grau. Konkret ging es dabei um Fragen, die ich mir zu meiner (mittlerweile beendeten) Beziehung, den Vorstellungen zu meiner Zukunft und zu den Gefühlen, die uns mit anderen Menschen verbinden gestellt habe. 

 

Die "aufregende" Liebe vs. die "stabile" Liebe

Ich bin fest davon überzeugt, dass es verschiedene Arten von Liebe gibt. Und hier meine ich nicht die auf den ersten Blick evident voneinander unterschiedlichen, elterliche, freundschaftliche und erotische Liebe. Ich meine "Typen" der erotischen Liebe, primär zwei eigentlich. Da ist zunächst die aufgeregte, dramatische, verliebte, emotionale, volatile, oft sehnsuchtsvolle Liebe - die wie in der Romantik üblich - selten gut ausgeht. Nicht immer, aber allzu oft, haben diese Beziehungen eine eher überschaubare Dauer mit absehbarem Ende. Es fühlt sich aus meiner Erfahrung an, als schwebte man monatelang wie ein Heliumballon unter der Zimmerdecke, man hat kaum noch Hunger, wenn man an den anderen denkt, möchte einem das Herz aus der Brust springen, manchmal beeft man sich auch richtig, aber zumindest ist da sehr viel Leidenschaft und Emotion im Spiel. Etwas was man gemeinhin auch als Verliebtheit bezeichnen kann. Die Zyniker nennen es Verblendung.

Nach einer Weile weicht dieses Stadium in vielen Fällen einem stabileren. Es weicht der "stabilen" Liebe. Man kennt sich besser, verlässt sich aufeinander, akzeptiert vielleicht auch Fehler oder Charakterzüge leichter, die einen in der Verliebtheit noch schwerer getroffen hätten. Die rosarote Brille verschwindet, man verbringt alltägliche Situationen und plant vielleicht die Zukunft miteinander, man verbringt weniger Zeit im Bett als vorher. Der Ofen wird "aus-er" (= Steigerung von "Der Ofen ist aus").

Dieser Ablauf ist ein natürlicher und er macht auch Sinn, denn weder das eine noch das andere Stadium können das einzig existente sein. Das erste ist nicht dauerhaft, denn wie könnten wir unser Leben lang in der Phase der Verliebtheit bleiben? Hormonell gesehen unmöglich, vor allem würden wir aber auch sonst nichts auf die Kette kriegen und unsere Ratio für sonstige Entscheidungen im Leben wäre bisweilen stark eingeschränkt. Das zweite ist bzw. sollte zwar dauerhaft sein, aber es sollte nicht das erste Stadium ersetzen. Denn wenn man das Gefühl hat mit der stabilen Liebe zu beginnen, ist es dann nicht vielleicht eher Freundschaft?

Ich habe mich in den letzten Wochen mit folgendem Dilemma auseinandergesetzt: die stabile Liebe ist eine, die mir nicht wehtun wird, ich kann mich auf sie verlassen, sie heilt meine Verlustängste, man kommuniziert stets auf Augenhöhe und auf eine (wie ich sie nennen würde) "erwachsene" Weise miteinander. Im Umkehrschluss ist sie nicht besonders aufregend, sie haut Dich nicht jeden Tag um. Es dominiert der Kopf, der sagt: "Hey, das Ganze macht Sinn, es passt doch alles (oder das meiste), sei doch einfach mal dankbar mit dem was Du hast." Überschattet oder unterminiert wird dieser Gedanke aber von meinem Herz, diesem kleinen sturen, ignoranten, unbelehrbaren Klugscheißer - ohne dessen überschäumende Zustimmung leider alles nichts ist. Mein Herz nörgelt also, ob die Aufregung, der "sparkle" nicht unabdingbar sei, vielleicht wichtiger als manche objektive Kriterien. Vor allem aber fragt mein Herz mich immer wieder, ob ich glücklich bin, ob ich so den Rest meines Lebens verbringen möchte. Mein Herz hat recht, denn ich beantworte dies mit "Nein". Ich sage also regelmäßig zu meiner besten Freundin und zu meinen Eltern: "Er tickt objektiv gesehen alle Boxen: ist intelligent, witzig, sieht gut aus, ist treu, ich mag seine Eltern und er meine, wir verstehen uns, er liebt mich, er würde mir nicht weh tun. Und mein Gefühl sagt mir trotzdem, dass er es nicht ist. Was ist das bitte für eine Scheiße?"

Womit ich gleich zu meinen nächsten beiden Dilemmata komme.

 

Verbringe ich Zeit mit jemandem, bleibe ich mit jemandem zusammen, obwohl ich weiß, dass er nicht "der Eine" für mich ist?

Ich komme langsam in ein Alter, da möchte man doch irgendwann auch mal konkreter sich mit Dingen wie zusammenziehen, verloben, .. auseinandersetzen. Nicht in den ersten ein, zwei Jahren einer Beziehung, aber halt schon irgendwann. Und hier höre ich Zayn in meinem Ohr: 

 

 Just stop lookin' for love

Girl, you know you still got time

 

Ich fühle mich nicht unter Druck gesetzt, aber ich frage mich ernstlich wie lange man mit jemandem zusammen bleiben sollte, wenn man weiß, dass es nicht der/die "Eine" ist. Sofort Schluss machen ist ein Schmarrn, denn "enjoy it while it lasts". Wie viel lebe ich im Jetzt, selbst wenn ich weiß, dass das Morgen sehr wahrscheinlich nicht so wird, wie ich mir es wünsche? “Worrying won’t stop the bad stuff from happening. It just stops you from enjoying the good.”

Ewig zusammenbleiben ist aber auch idiotisch, wenn man bedenkt, dass man sich und den anderen wertvoller Lebenszeit beraubt, in der vielleicht jemand auf der Matte steht, mit dem es wirklich was werden könnte. Die Lösung liegt also wie immer in der Mitte.

 

Erwachsenheit von Trennungen

Eine Erfahrung, die ich selten machen durfte (weder meinerseits noch seitens meines dann-Ex). Ich hoffe, diesmal wird es etwas, die Chancen stehen tatsächlich gut. Normalerweise ist jede Trennung meistens eine Art Tatort. Hier werden Menschen in Verzweiflung gestürzt, in Verbitterung getrieben und in ihrer Selbstdefinition erschüttert. Zu sagen, ich hätte mich noch nicht an jedem dieser drei Punkte gesehen, wäre schlicht und ergreifend gelogen. Doch diesmal ist es anders.

Es ist Freitagabend und wir telefonieren. Ich sage, dass wir reden müssen, dass ich ihm etwas sagen muss. Ich höre ihn nicken, es ist so weit. Die immer wiederkehrenden Diskussionen und Gespräche der letzten Wochen, in denen es um die immer gleichen Themen ging (mir fehlt die Emotionalität, ihm die gemeinsamen Interessen, für jeden von uns ist der Wohnort so sehr zuhause, dass wir ihn nicht für den anderen verlassen werden), sind am äußeren Ende der Spirale angekommen. Es gibt keine Lösung und es geht auch nicht weiter. Ich sage, dass ich normalerweise nicht am Telefon Schluss mache, aber dass ich im Moment nicht die Kraft habe, es persönlich zu tun. Ich könne so nicht mehr weiter machen und es komme für uns beide ja nicht überraschend. Nach einem kurzen Moment sagt er, dass er meine Entscheidung akzeptiere und respektiere und nicht versuche, etwas daran zu ändern.

Wir besprechen noch ein paar weitere Minuten, wer wem was zurückschickt, wir sind gemeinsam in dieser Situation, von der ich vorher befürchtet hatte, sie würde wesentlich schlimmer für uns beide werden. Zum Ende mache ich etwas sehr egoistisches, weiß ich doch, dass es mir helfen wird. Ich frage ihn, ob er klarkommt, ob er zusammenbrechen wird, in ein schwarzes Loch fällt. "Nein, das werde ich nicht, wir haben es ja kommen sehen." Ich atme nicht hörbar auf. Es wird mir weniger schlecht gehen, ich werde mich weniger schuldig fühlen, wenn ich weiß, dass er nicht leidet. Ich hasse es anderen Menschen wehzutun, auch wenn es manchmal nicht anders geht. Aber mit dieser Aussage fühlt es sich nicht ganz so beschissen an.

Er legt schließlich auf, nicht ohne vorher leise zu sagen "Du bist eine tolle Frau". 

 

Das erste Mal seit Monaten muss ich weinen.

Das Gegenteil von glücklich sein ist nicht - wie viele denken - unglücklich zu sein. Es ist: nicht glücklich zu sein. Und das ist ein himmelweiter Unterschied.

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