Why we love, why we cheat

Vor kurzem hatte ich einen kleinen Austausch mit einer ehemaligen Kommilitonin und langjährigen Freundin, Pia. Pia schreibt ebenfalls einen Blog, sie verdient ihr Geld ebenfalls nicht als Bloggerin und kann daher das ein oder andere nachvollziehen. Ich verlinke Euch ihren Blog mal hier.

Jedenfalls fragte Pia mich, woran ich gerade schreibe und meine Antwort war in etwa die, dass ich in nächster Zeit unter Anderem wieder mehr über Liebe schreiben wolle. Was sie soziologisch gesehen bedeutet, aus was sie besteht, woran wir sie merken. Und genau dem will ich jetzt anfangen nachzukommen. 

 

It's all about love. We're either in love, dreaming about love, recovering from it, wishing for it or reflecting on it.

Es dreht sich alles um Liebe. Man verstehe mich nicht falsch: es dreht sich im Leben nicht permanent alles um Liebe. Die meisten von uns haben Freunde und eine Familie (manchmal sind auch Freunde unsere Familie), einen Job (ein Studium oder eine Ausbildung) und Hobbys. Wir haben unsere Routinen, sei es immer an einer bestimmten Stelle in die U-Bahn ein- und auszusteigen, morgens vor dem Aufstehen den ersten Blick in unsere Mails  zu werfen oder die Isar immer an der gleichen Stelle zu überqueren - das sind beispielsweise ein paar meiner Routinen. Wir haben Vorlieben (ich trinke z.B. lieber Weißwein als Rotwein), wir alle teilen uns an unterschiedlichen Orten das Wetter. Also die Sonne, die uns behaglich wärmt oder gnadenlos herunter brennt. Oder den Regen, der sich in großen Tropfen vom Himmel stürzt, der kleine Seen entstehen lässt und der die Welt meistens in schleiriges Grau hüllt. Es gibt also vieles, was nicht direkt etwas mit Liebe zu tun hat. Und dennoch wäre ohne Liebe alles nichts. A world without love is a deadly place.

 

Ich habe meine ganz eigene Meinung und meine eigenen Prinzipien und natürlich meine eigenen Erfahrungen mit der Liebe. Über die ein oder anderen habe ich auch schon geschrieben, hier z.B. Vielleicht werde ich auch über meine Grundsätze im Konkreten noch mal schreiben, heute möchte ich aber mit dem oben angeteaserten - Bedeutung, Bestandteile, woran merken wir sie - beginnen. Ich bin bekanntermaßen weder Soziologe, noch Anthropologe oder Psychologe und kann daher keine akademisch validierte Herleitung bieten. Aber ich weiß, wer es kann. Tatsächlich beschäftigt sich einer meiner liebsten TED Talks mit diesem Thema. Ich kann ihn wärmstens empfehlen, unter Anderem auch, da Helen Fisher eine meines Erachtens sehr gute Rednerin ist. Ich verlinke ihn unten, falls Interesse besteht, ihn sich in voller Länge anzuhören. Herausgreifen möchte ich aber nur die mir wichtigsten Punkte.


 

Um zu verstehen, was es mit romantic love auf sich hat, kann man sich wie Fisher eine Reihe von Dingen anschauen, die es zu geben scheint, wenn man sich verliebt.  Das erste, was passiert, ist dass eine Person eine spezielle Bedeutung - special meaning - für uns annimmt: unsere Welt bekommt einen neuen Mittelpunkt, unsere Gedanken ein neues Zentrum. George Bernard Shaw soll es etwas sarkastischer ausgedrückt haben: Liebe besteht darin, die Unterschiede zwischen einer Frau und einer anderen zu überschätzen. Und tatsächlich tun wir genau das. For whatever reasons ist alles an dieser Person anders als bei allen anderen. Es ist, als sei alles grau und sie sei es nicht, als seien alle stumm, nur sie spräche, als seien alle starr, nur sie bewege sich. Sie ist nicht die richtige Antwort auf eine Frage, sie ist die richtigere. 

Nun reicht es nicht aus, dass diese Person eine spezielle Bedeutung bekommt. Man fokussiert seine Aufmerksamkeit auf sie, man stellt sie (meistens) auf einen Sockel, man hat (oftmals) wahnsinnig viel Energie. Man ist überdurchschnittlich euphorisch, wenn Dinge gut laufen, man ist in tiefer Verzweiflung, wenn etwas nicht klappt, klassische Stimmungsschwankungen also. Darüber hinaus werde man, so Fisher, extremely sexually possessive, sexuell besitzergreifend also. Während es einem, wenn man nur gelegentlich bedeutungslosen Sex miteinander hat, relativ egal sei, wenn der Andere noch mit anderen schläft, so führe der Umstand der Verliebtheit dazu, dass man Exklusivität beansprucht. Der andere soll eben nur noch mit einem selbst schlafen - und sonst mit niemandem. 

 

Eins der drei Hauptcharakteristika romantischer Liebe sei aber in der Tat Verlangen, cravings, und zwar nicht primär sexueller, sondern emotionaler Natur. Es ist schön, miteinander Sex zu haben, aber viel mehr möchte man, dass die andere Person einen anruft, einen ausführt, mit einem die Gefühle teilt und so weiter. Man will, dass sie einem sagt, dass sie einen liebt.

Das zweite sei die Motivation - das Gehirn arbeitet und man will die andere Person, koste es was es wolle. Und das letzte sei Besessenheit, obsession. Fisher hat, um in ihrer Arbeit Vermutungen mit medizinischen Beweisen zu stützen, mehrere Jahre lang Verliebte in MRTs gelegt, Fragen gestellt und Hirnfunktionen gemessen. Unter diesen Fragen war auch "Wie viel Prozent des Tages denkst Du an die andere Person?" und in der Tat antworteten die Befragten fast durchweg mit "Immer. Den ganzen Tag, die ganze Nacht. Ich kann einfach nicht aufhören, an ihn/sie zu denken." Und die letzte Frage in diesen Settings war schließlich stets: "Würdest Du für ihn/sie sterben?" und auch hier antworteten alle Befragten mit "ja!" - und zwar in einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, als ginge es darum, das Salz herüber zu reichen, wie Fisher beschreibt. 

 

Während dieser Untersuchungen maßen Fisher und ihre Kollegen aber wie gesagt auch Hirnaktivitäten und stellten Erstaunliches fest. So stellten sie z.B. fest, dass die Hirnregion, die aktiv wird, wenn man den Probanden Bilder ihrer Liebsten zeigte, dieselbe ist, die aktiv ist, wenn jemand einen Kokainrausch verspürt. Und an dieser Stelle dämmerte es Fisher, dass romantische Liebe eben keine Emotion ist, auch keine Reihe oder Wolke an Emotionen.

Sie ist vielmehr ein Trieb, derselbe der Wollen und Begehren hervorruft. Womit wir wieder bei den cravings von oben wären. Und die Begründung, warum dieser Trieb mächtiger ist als das sexuelle Verlangen, der sex drivefolgt auf dem Fuße: wenn man jemanden fragt, ob er/sie mit einem ins Bett geht  und der andere ablehnt, so wird man sich nicht umbringen wollen und man wird auch nicht in eine klinische Depression rutschen. Wenn jemand Verliebtem aber die Erwiderung romantischer Liebe verwehrt wird, so gibt es mit Sicherheit Menschen, die sich selbst oder andere umbringen oder es zumindest erwägen. People live for love, they kill for love, they die for love.

 

Der finale Schritt, den Fisher in ihrer Argumentation macht, ist der, diese drei Gehirnprozesse (zwei habe ich schon genannt) grundsätzlich von einander zu trennen und zu unterscheiden:  erstens der sex drive (eine Art "unerträglicher, neuronaler Juckreiz"), das Verlangen nach sexueller Bestätigung, zweitens der romantic love und drittens der des attachment, also einer tiefen Bindung, eines Sicherheitsgefühls für/bei einem anderen Menschen.

Das Pikante an dem Ganzen ist nun, dass diese drei Teile nicht immer zusammen arbeiten oder wirken oder wir für eine einzige Person empfinden. Sie können zusammen kommen, aber sie müssen es nicht. Einer der Gründe, warum beiläufiger Sex nicht zwingend "beiläufig" bleiben muss. Mit Orgasmen erreicht das Dopamin im Hirn Höchststände, Dopamin ist neuronal mit romantischer Liebe assoziiert, weswegen man sich durchaus in jemanden verlieben kann, mit dem man nur "beiläufig" oder gelegentlich unkomplizierten Sex hat. Anyway. Und so rutschen wir manchmal in das Dilemma, eine tiefe Bindung zu einem (langjährigen) Partner zu spüren, während wir romantische Liebe für jemand anderen empfinden und gleichzeitig aber mit jemand anderem (dritten) Sex haben zu wollen. In short, we're capable of loving more than one person at a time..

 

 

 

Helen Fisher, Why we love, why we cheat (2006)

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Kommentare: 1
  • #1

    Pia (Montag, 14 August 2017 17:43)

    Liebe Nina, danke für deinen gelungenen ersten Artikel zu diesem wahnsinnig spannenden und vielschichtigen Thema <3 Und natürlich ein noch größeres Dankeschön für die Widmung und die Verlinkung! Kuss nach München und... bis zum Wochenende :-*