"Verliebe Dich nicht in mich" hättest Du sagen sollen

Der Großteil der Texte auf diesem Blog hat - und daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht - stark autobiographische Züge. 95% der Geschichten habe ich selbst erlebt und/oder gefühlt, die restlichen 5% haben andere Menschen erlebt und ich sie zitiert. Nichts davon war erfunden, Fiktion liegt mir einfach nicht. Ebenso wenig übrigens wie kurze, pointierte Sätze. Aber weil Du neulich meintest, meine Sätze seien furchtbar lang und die Verständlichkeit des Geschriebenen leide darunter, versuche ich mich zu bessern. Im Folgenden außerdem das erste Mal ein Text, bei dem ich ganz bewusst offen lassen möchte, ob er mich oder jemand anderen betrifft oder ob er schlichtweg gänzlich erdacht ist. Man lasse sich nicht täuschen, vieles mutet an, als sei ich der Nukleus des Geschehenden. Völlig egal. Was mich in Teilen dazu inspiriert hat, steht hier.

 

Du weißt, was ich fühle und es ist mehr als ich sollte. So schön jeder Moment ist, den ich mit Dir verbringe, den ich an Dich denke, den ich Dich neben mir spüre, Dich küsse oder den Du mit mir sprichst - er ist dennoch bittersüß. Ich habe mich in Dich verliebt, ich habe es Dir auch gesagt - geantwortet hast Du so gut wie nichts und das macht mir nichts aus. Du brauchst eben Zeit. Und das respektiere ich. Rede ich mir ein. Ziemlich erfolgreich sogar. Aber von Anfang an.

Es war keine Liebe auf den ersten Blick, gewiss nicht. Aber seit dem ersten Moment, in dem ich Dich gesehen habe, kribbelt etwas in mir, wenn es um Dich geht. Am Anfang waren es meine weichen Knie, dann war es mein schneller klopfendes Herz, schließlich meine Gedanken und Hoffnungen, die sich völlig unkontrolliert alles vorstellen wollen und völlig unbremsbar in Richtungen rennen, in denen sie nichts verloren haben. Wenn Du mich berührst, spüre ich nichts und alles. Ich spüre meine kleinen Armhärchen sich aufrichten, fühle meinen Unterleib sich wohlig verkrampfen, merke meinen Kopf, in dem nicht außer Watte ist. Das schaffst Du immer wieder. Du machst es nicht absichtlich, weil Du nichts davon weißt. Und es nutzt sich mit der Zeit auch nicht ab oder würde weniger.

"Super!", könnte man meinen. "Uneingeschränkt super!". Aber es ist eben nicht super. Es will sein: unbeschwerte Verliebtheit. Es ist: naives Hoffen. Es ist ein flaues Gefühl und es ist, ich müsste sonst lügen, auch Angst. Nicht Angst vor dem existenziell bedrohlichen Schmerz, den man so harmlos "Liebeskummer" nennt, aber Angst vor der Enttäuschung. Angst vor dem "war doch klar", vor dem "hättest Du besser wissen müssen". Vor dem "ich habe lange in mich hinein gehört, aber es reicht einfach nicht". Ach fuck it. 

Ich verdränge den Gedanken. Das flaue Gefühl kann ich schwer verdrängen, vor allem nicht, wenn ich bei Dir bin. Ich erlebe, wie schön es sein kann, wie sehr ich Dich mag. Ich erlebe, was ich nicht bekomme, wenn ich Dich nicht bekomme. Der geneigte Leser fragte sich nun: "Aber warum denn nicht? Was bitte ist denn das Problem?". Tja. Im Grunde ist es ganz simpel - lösbarer wird es dadurch trotzdem nicht.

Konflikte - oder flaue Gefühle - entstehen zwischen Menschen unter Anderem, wenn sie unterschiedliche Dinge begehren. Oder wenn sie glauben, dass die Dinge, die andere begehren so furchtbar unvereinbar mit ihren eigenen Wünschen seien. Wo liegt die Grenze zwischen Verbindlichkeit und Einengung? Wie viele Kompromisse muss man eingehen und wie viele fühlen sich davon noch als solche an, wenn man es für den richtigen Menschen tut? Ist „schon bald mal“ noch eine Teilmenge von „in den nächsten 5 Jahren definitiv nicht“? Hm. Ich habe keine Antwort darauf.

Aber die Probleme fangen doch da an: wenn ein Mensch mit einem anderen zusammen sein will, also so richtig mit beieinander übernachten, über Gefühle sprechen und eine Zukunft planen, aber der andere nicht. Also noch nicht oder nicht richtig oder nur in Teilen. Aber vielleicht, das weiß der andere Mensch noch nicht genau, vielleicht auch nie, nie richtig.

Wenn der eine Mensch Gefühle für den anderen hat, aber der andere noch nicht so viele oder nicht die gleichen. Wenn er auch nicht absehen und nicht versprechen kann, ob die jemals kommen.

Wenn der eine Mensch in den nächsten Jahren definitiv keine Kinder möchte und vielleicht nie welche wollen könnte, aber der andere schon. Vor allem, wenn der eine Mensch von sich selbst denkt, niemals ein guter Elternteil werden zu können, den anderen aber für einen in der Zukunft phänomenalen hält. Hach ja. Perks of dating elder men who will someday make amazing dads. 

 

Ganz am Anfang, da hättest Du mich warnen sollen. "Verliebe Dich nicht in mich" hättest Du sagen sollen. Aber wer sagt so was schon? Keiner. Und Du schon dreimal nicht. Du bist selbstbewusst, aber nicht eingebildet. Du bist klug, aber kein Weissager. Du bist emphatisch, aber weniger emotional. Du verliebst Dich langsam, wenn überhaupt. Du trägst Dein Herz nicht auf der Zunge - im Gegensatz zu mir. 

 

Manchmal beobachte ich Dich aus der Ferne. Wenn Du ein paar Meter entfernt stehst und telefonierst. Wenn Du auf der anderen Straßenseite aus Deiner Haustür kommst und mich noch nicht entdeckt hast. Wenn Du am Tisch meiner Eltern sitzt und Dich angeregt unterhältst. Ich sehe diesen tollen Mann, der witzig, liebevoll, klug und selbstbewusst ist und mein Herz schlägt schneller. Ich möchte zu Dir gehen und Dich festhalten, Dir durch die Haare streichen, Dir genau das sagen. Und ich mache.. nichts davon. Was sollte es ändern, was Du nicht schon weißt? 

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Kommentare: 2
  • #1

    Pia (Donnerstag, 28 September 2017 13:56)

    Ein wunderschöner Text, Nina - und ich kann dich so gut verstehen!

    Wenn ich eins gelernt habe im letzten Jahr, dann ist es, dass Menschen nie gleich schnell oder intensiv lieben. Jeder liebt anders. Es wird immer einen geben, der erstmal "in Vorleistung" gehen muss, der sich verletzlich macht, und der dem anderen immer wieder einfach nur mit Liebe und Geduld begegnen muss.

    Meine Schwester meinte zu mir, dass es ein großes Geschenk sei, so lieben zu können, wie wir es tun - mit Gefühlen, mit Zuneigung, mit richtig viel Herz. Und auch wenn die Welt da draußen einem einbläuen möchte, dass solche Liebe dumm ist, weil sie uns bindet, dann sollte man trotzdem zu sich und seinem großen Herz stehen. Es ist ein Geschenk für die Menschheit.

  • #2

    Tatjana (Samstag, 14 Oktober 2017 15:15)

    Liebe Pia

    Danke für deine Worte und die, deiner Schwester!
    Ich kann Nina gerade sehr gut nachfühlen. Dennoch glaube ich auch, dass es ein grosses "Geschenk" sein kann, wenn man so fühlen und lieben kann, wie wir es können. Manchmal schmerzt es sehr, aber es kann auch einfach wunderschön sein und viel wunderbares bewirken und entstehen lassen.
    Daran glaube ich fest!

    In dem Sinne: bleiben wir doch wie wir sind, mit allem, was dazu gehört. Schlussendlich ist das Leben doch auch dazu da, zu lieben und diese Liebe weiterzugeben!