I'm a feminist – and you can be too! 5 feministische Dinge, die man im Alltag tun kann

Credits: Friedrich-Ebert-Stiftung
Credits: Friedrich-Ebert-Stiftung

 

In einem meiner letzten Blogtexte habe ich darüber geschrieben, dass wir defizitäre Zustände nur ändern können, indem wir von uns aus immer wieder darüber sprechen, warum sie schlecht sind, warum sie benachteiligen, warum sie verbessert werden müssen. Auch wenn Menschen es anstrengend, nervig, ungewohnt, unangenehm finden, müssen wir den Finger in die Wunde legen, wir müssen „übertreiben“ und mehr tun als der Durchschnitt. Wer Veränderung, Revolutionen, wer Wandel will, muss mehr tun als die Majorität der Menschen dafür tut, den Status quo – wenn auch oft unbewusst – zu erhalten. 

 

Ich persönlich habe in den letzten, sagen wir mal 2 Jahren, für mich herausgefunden, dass Feminismus das Thema ist, zu dem ich mich positionieren und engagieren möchte. Eng verwandt damit sind auch die Themen Sexismus und Misogynie – wobei ich offensichtlich gegen beides bin. Seit diesem Jahr bezeichne ich mich selbst als "Feministin" – wobei diesen Begriff als Teil der eigenen Identität zu begreifen für viele Menschen problematisch zu sein scheint. Warum scheuen sich Menschen, sich selbst als "Feminist*in" zu bezeichnen – obwohl sie sich damit grundsätzlich erst mal nur zum Anliegen "für Chancengleichheit, Gleichberechtigung & gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung" positionieren würden? Eigentlich sollten wir dieses Anliegen alle unterstützen wollen, wenn wir kein Arsch sein möchten, oder?

Tatsache ist: nur 28 % der deutschen Frauen bezeichnen sich als "Feministin", bei den Männern ist es nicht mal jeder fünfte, der sich "Feminist" nennt. Deutschland landet im Vergleich mit 27 anderen Ländern auf dem viertletzten Platz (Quelle).

Aus meiner Sicht könnte das unter anderem daran liegen, dass der Begriff "Feminist*in" heute noch immer durch seine historische Entstehung mit eher militanten, radikalen Feministinnen verbunden wird und dadurch negativ konnotiert ist. Es geht dabei in seiner heutigen Bedeutung weder um Männerhass (Misandrie), noch um die Errichtung eines Matriarchats noch darum, sich aus Protest nicht mehr die Achselhaare zu rasieren. Alles Dinge, die vor allem von Feminismus-Gegner*innen gerne kolportiert werden.

 

Ich habe versucht, mich möglichst kurz zu fassen, ein wenig Grundlegendes kann man aber nicht einfach überspringen. Daher 3 Basics, bevor ich zu den 5 Dingen komme, die jede*r im Alltag tun kann.

Für jede*n, der/die sich weiter zu dem Thema informieren und sich seine Meinung auch zu weiteren Aspekten von Feminismus bilden möchte (was mich freuen würde!), habe ich unten weitergehende Links, Literatur und Podcasts zusammengefasst, die ich empfehlen kann.

 

 

Was ist eigentlich Feminismus?

Die Meinungen zu einer einheitlichen Definition gehen auseinander. So sagt z.B. der Duden: "Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt". Bell Hooks, eine zeitgenössische Feministin fasst Feminismus wie folgt zusammen: „Einfach ausgedrückt ist [er] eine Bewegung, die Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung abschaffen will.“

Für die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie ist eine Person, die feministisch ist, „jemand, der/die an die soziale, politische und ökonomische Gleichheit der Geschlechter glaubt“.

Für mich bedeutet Feminismus, sich dafür einzusetzen, dass Chancengleichheit und Gleichberechtigung für alle Menschen entstehen, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer Sexualität und dass geschlechtsspezifische Diskriminierung verschwindet. Da vornehmlich (Trans-)Frauen strukturell benachteiligt werden, muss sich Feminismus vor allem für deren Gleichberechtigung einsetzen.

 

 

Welche Arten von Feminismus gibt es?

Den Feminismus, wie ich ihn oben nenne, gibt es in dieser Form eigentlich nicht. Wie bei jeder Bewegung bilden sich auch hier unterschiedliche Strömungen und auch wenn es auf einem undifferenzierten Niveau so wirkt, als wollten alle Feminist*innen dasselbe, ist dem nicht so. Manche Motivationen stehen nahe zusammen, andere widersprechen sich grundsätzlich. So gibt es z.B. folgende Ausprägungen, was diese bedeuten könnt Ihr hier und hier nachlesen.

  • Mainstream-Feminismus
  • Radikaler Feminismus
  • Gleichheits-Feminismus
  • Differenz-Feminismus
  • Sozialistischer Feminismus
  • Öko-Feminismus
  • Spiritueller Feminismus
  • Queer-Feminismus
  • Sexpositiver Feminismus
  • Black-Feminismus
  • Intersektionaler Feminismus
  • Femonationalismus
  • Anarcha-Feminismus

Der Feminismus, dem ich mich zuordnen würde, bestünde übrigens aus Ansichten des Mainstream- und des Intersektionalem Feminismus. 

 

Wenn ich einen Mann zu einem (sexualisierten) Objekt mache, ist das dann nicht auch Sexismus?

Nein. Genauso wie es keinen Rassismus gegen weiße Menschen gibt, gibt es keinen Sexismus gegenüber Männern. Er bezieht sich auf gesellschaftlich erwartete geschlechtsspezifische Verhaltensmuster (Geschlechterstereotype), wobei Männer im Patriarchat grundsätzlich eine privilegierte Position haben und deshalb primär Frauen als von Sexismus betroffen gelten. Sexismus spiegelt ein gesellschaftliches Machtverhältnis wider, seine Erscheinungsformen sind zeitlich und kulturell verschieden und determiniert. Lediglich aus sozialpsychologischer Perspektive können Männer individuell (nicht strukturell!) von Sexismus betroffen sein (Quelle).

 

Nun aber zum eigentlichen Thema – was kann ich konkret im Alltag tun, wenn ich mich für Feminismus und/oder gegen Sexismus einsetzen möchte?

 

1. Seinen eigenen Sexismus hinterfragen

Unser aller Denken ist in patriarchalen Strukturen sozialisiert - genauso wie es übrigens rassistisch sozialisiert ist. Dafür "können" wir in dem Sinne erst einmal nichts, aber wir können uns und unser Verhalten kritisch beobachten. Sich das einzugestehen kann schmerzhaft sein, hilft aber: Bin ich vielleicht manchmal selbst sexistisch, ohne es zu wollen? Sage ich manchmal unbewusst sexistische Dinge, ohne es zu merken?

 

2. Sein Umfeld auf Sexismus hinweisen

Sitzt man in Meetings, in denen Witze auf Kosten von Frauen gemacht werden, in denen Frauen unterbrochen oder benachteiligt werden? Ansprechen!

Pfeift auf der Straße ein Bauarbeiter einer Frau hinterher? Ansprechen! (Anmerkung: daran, dass sog. "Catcalling" ein Straftatbestand wird, wird gerade gearbeitet)

Bekommt man mit, dass eine Frau nur deshalb nicht eingestellt wird, weil sie schwanger werden und ausfallen könnte? Ansprechen!

Wird eine Panel-Runde ausschließlich mit (alten, weißen) Männern besetzt? Ansprechen!

 

3. Individuelle Lebensentscheidungen anderer Frauen respektieren

Wenn sich eine Frau dazu entscheidet, sich freizügig zu kleiden, mit vielen verschiedenen Männern Sex zu haben, kein Kind zu bekommen, ein Kind zu bekommen, nach der Geburt direkt wieder zu arbeiten, nach der Geburt 4 Jahre zuhause zu bleiben oder eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden – ist all das eine individuelle Entscheidung der Frau. Wir müssen unbedingt wegkommen davon, Frauen als "Schlampe" zu bezeichnen, zu hinterfragen, warum sie sich für einen bestimmten Lebensentwurf entscheidet, der nicht der gesellschaftlich erwünschten Norm entspricht und zu verurteilen, wenn sie Dinge anders handhabt, als wir das selbst würden. Das gilt übrigens auch (oder gerade) für Frauen selbst, die andere Frauen verurteilen oder sie dazu nötigen, sich für ebensolche Entscheidungen zu rechtfertigen.

 

4. Gendergerechte Sprache

Genau genommen gendern wir schon heute in unserer Sprache, sowohl gesprochen als auch schriftlich, allerdings ist das generische Maskulinum ein bewusst exklusives Instrument. Das Argument, Frauen und Trans-Personen seien "mitgemeint" kann nicht gelten, denn sonst müssten Männer im generischen Femininum auch akzeptieren "mitgemeint" zu sein – was wiederum für Aufschreie der Empörung sorgt. Das Argument, gegenderte Sprache "verhunze" den Flow beim Lesen sollten sich die Leute vorbehalten, die trotz des Bewusstseins für Rassismus, das wir heute haben, weiterhin das N-Wort benutzen – einfach weil sie zu faul sind, ihr ignorantes Verhalten zugunsten eines inklusiven Verhaltens zu ändern.

Hinweis: unten finden sich mehrere Podcast-Folgen speziell zu diesem Thema.

 

5. Bewusster konsumieren

Ich halte – und daraus mache ich keinen Hehl – sehr wenig von individueller Konsumkritik, also davon Verbraucher*innen einzureden, dass sie mit ihren Kaufentscheidungen Macht auf Konzerne ausüben. Sorry to disappoint: aber dem ist nicht so. Dafür sind Konzerne einfach zu mächtig und es wäre die Aufgabe der Politik (de-)regulierend einzugreifen. Stichwort Klimakrise.

Und trotzdem: Nackte Frauenkörper und/oder sexistische Aussagen werden auf Werbeplakate für so ziemlich alles gedruckt. Mein liebstes Beispiel (und damit meine ich meist gehasstes Beispiel) ist der Safthersteller True Fruits mit dem Slogan „abgefüllt und mitgenommen“. Solch sexistische Werbung führt zu einer sogenannten „Vergewaltigungskultur“, die Frauen als Objekte sieht. 

Zumindest vor uns selbst sollten wir verantworten können, mit dem Kauf welcher Produkte wir welchen Praktiken zustimmen. 

 

 

Toll, dass Du bis hierher durchgehalten hast!

Hier schlussendlich meine Empfehlungen an Literatur, Artikeln und Podcasts:

(Alle mit * versehenen habe ich selbst noch nicht gelesen/gehört, wurden mir aber mehrfach empfohlen und/oder stehen auf meiner to read/to listen to Liste)

 

 

Bücher

• Alte weiße Männer | Sophie Passmann 

• We should all be feminists | Chimamanda Ngozi Adichie 

• Dear Ijeawele | Chimamanda Ngozi Adichie

• Ja heißt ja und... | Carolin Emcke

• Nichts, was uns passiert | Bettina Wilpert

• Die potente Frau | Svenja Flaßpöhler

• Die letzten Tage des Patriarchats | Margarete Stokowski

• Wie es ist eine Fledermaus zu sein | Thomas Nagel

• Wenn Männer mir die Welt erklären | Rebecca Solnit

• On Abortion | Ramon Pez

• Wenn Mütter bereuen | Orna Donath

• Ich will kein Kind: Dreizehn Geschichten über eine unpopuläre Entscheidung | Anja Uhling 

• Frauen & Macht: Ein Manifest | Mary Beard

• Die Uhr, die nicht tickt: Kinderlos glücklich | Sarah Diehl 

• Will ich ein Kind? Ja - Nein – Vielleicht | Melanie Hughes*

• Mutterschaft | Sheila Heti*

• Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert | Caroline Criado-Perez*

• Das andere Geschlecht: Sitte und Sexus der Frau | Simone de Beauvoir*

 

Podcasts

• Darf sie das? (Nicole Schöndorfer)

• Die Boss – Macht ist weiblich (Simone Menne)

• Plan W (Süddeutsche Zeitung)*

 

Einzelne Podcast-Folgen

Gendergerechte Sprache – Ist das Gendern wichtig? LOU KLÄRT (Louisa Dellert) 

Gendern – Muss das sein?! LOU (Louisa Dellert) 

Let's talk about Feminism! LOU (Louisa Dellert) 

Frauen in der Politik – Brauchen wir eine Quote? LOU (Louisa Dellert) 

 

Kolumnen

Margerete Stokowski – SPIEGEL

Rubrik "Feminismus" in der taz*

 

Links

Feminismus: Was der Begriff heute bedeutet und wann jemand Feministin ist, EDITION F 

5 Dinge, die ihr über Feminismus wissen solltet, Genderdings 

Engagiert euch! 5 Ideen für mehr Feminismus im Alltag, ELLE

5 Dinge, die Frauen tun können, um ihre Kolleginnen zu unterstützen, EDITION F

 

 

 

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