Gelesen und für gut befunden 2020

Auch dieses Jahr hatte ich wieder meinen Vorsatz, 4 Bücher pro Monat zu lesen - 46 sind es schlussendlich geworden. Hier wieder mein sharing is caring, meine Empfehlung an Werken, die toll zu lesen sind, zufrieden machen oder ohne die gelesen zu haben man nicht alt werden sollte. 

P.S.: Solltet Ihr über den am Ende jeden Absatzes zu Amazon führenden Link das Buch erwerben, verdiene ich daran nichts.

Elefant

 

Höchstens vierzig Zentimeter lang und dreißig hoch, mit einer rosafarbenen Haut, die gut zu einem Marzipanschwein gepasst hätte, und darüber hinaus leuchtet er im Dunkeln: der kleine Elefant, der eines Tages plötzlich in der Höhle des Obdachlosen Schoch auftaucht.

Wie er dahin gekommen ist und warum er so aussieht, stellt sich im Lauf der Geschichte, in vielen Rückblicken heraus: er ist das Ergebnis eines Genexperiments – zum besseren Verständnis "Glowing Animals" googeln – und er ist leider auch unheilbar krank.

All das jedoch rückt in den Hintergrund, wenn man miterlebt wie anschmiegsam das kleine Tier ist, dass es sich mit dem Rüssel Wasser auf den Rücken spritzen kann, dass es wie ein großer Elefant behandelt werden möchte und dass es die Menschen in seiner Umgebung verändert. Den Obdachlosen Schoch, die Veterinäre Valerie und Dr. Reber und den burmesischen Elefantenpfleger Kaung. Der einzige Mensch, der sich nicht verändert, ist der skrupellose Genforscher, sozusagen der Schöpfer des kleinen Elefanten, Dr. Roux.

Das Buch liest sich wunderbar leicht, es erzeugt witzige Bilder, doch am Ende hat man Tränen in den Augen. Erst wenn man das Buch zur Seite legt, beginnt man die eigentlich ethischen Fragen zu verstehen, die es behandelt. Wie gehen wir als Gesellschaft mit den Ausgestoßenen, den Trinkern, um? Wie sehr dürfen wir in die Natur und die Schöpfung eingreifen, wie weit Gene verändern? Wie weit müssen wir gehen, um Leben zu schützen und wie finden wir eigentlich unser eigenes Glück, wenn unser Schicksal andere Pläne zu haben scheint?

 

Elefant | Martin Suter | Diogenes Verlag | 24,00 Euro

 

Atomic Habits

 

Menschen denken oft, wenn man sein Leben oder auch nur einzelne Dinge darin verändern will, muss man in großen Dimensionen denken. Doch der Gewohnheitsforscher James Clear widerlegt dies. Er zeigt auf, dass echte Veränderungen aus dem Zusammenwirken hunderter kleiner Entscheidungen entstehen: zwei Liegestütze am Tag, fünf Minuten früheres Aufwachen oder ein einziges kurzes Telefongespräch.

Er nennt sie "atomic habits" (atomare Gewohnheiten).

An keiner anderen Stelle habe ich mehr über Gewohnheiten gelernt, als in diesem Buch.  Erst beim Lesen wird einem klar, wie mächtig Gewohnheiten sind, wir sehr wir uns dagegen wehren, Angewöhntes abzulegen oder uns Neues anzutrainieren, wie sehr uns Routinen stärken, aber wir den immer gleichen Trott hassen. Dass winzige Veränderungen zu lebensverändernden Ergebnissen führen können. Clear erklärt einige Life Hacks (unter anderem das Habit Stacking, die Zwei-Minuten-Regel oder den Trick, die Goldlöckchen-Zone zu betreten) und vertieft sich in moderne Psychologie und Neurowissenschaften, um zu erklären, warum sie von Bedeutung sind. 

Das Buch hat den Untertitel: "An Easy and Proven Way to Build Good Habits and Break Bad Ones." - was zumindest bei mir die Erwartungshaltung geschaffen hat, mit den Tricks seien Gewohnheiten leichter zu ändern. Das ist leider falsch: es erfordert immer noch große Disziplin, aber man versteht wenigstens was dahintersteht.

 

Atomic Habits | James Clear | Rowohlt | 14,00 Euro

 

Pillow Thoughts

 

Pillow Thoughts ist eine Sammlung von Poesie und Prosa über Herzschmerz, Liebe und rohe Emotionen. Die Sammlung ist unterteilt nach verschiedenen Themen - je nachdem, wonach man sich gerade sehnt. Da ich ein Fan von Rupi Kaurs Büchern und generell von (englischen) Gedichtbänden bin, war es nicht überraschend, dass ich es sehr mochte, es wird aber eventuell nicht für jeden etwas sein. Ein Auszug:

 

“I picked up all your things and I put them in a box. I was going to send them back to you,

all those things you gave me when you promised I was the only thing you needed.

And then I realized I can’t put every kiss in the box or return every “I love you.”

I can’t return every time I held you or unwrite every love letter I wrote you.

I can’t undo every time I touched you or unhear the way you said my name.

I can’t send back every “You’re beautiful” because things will never be the same.

What am I going to do with all these things if I can never pack them away?”

 

Und ein weiterer:

"We should kiss. Not because you passed my way by chance

but because you stopped and I haven't been the same since."

 

Pillow Thoughts | Courtney Peppernell | Simon + Schuster Inc. | 12,00 Euro

 

Carl Thorberg: Drei Stories

 

"Ferdinand von Schirachs Texte zu lesen ist immer ein Gewinn" titelte der Stern einmal und es stimmt. Ich habe bislang alle seine Bücher verschlungen, auch die philosophischen Dialoge mit Alexander Kluge (Trotzdem, Die Herzlichkeit der Vernunft) und finde sogar die Verfilmungen gelungen. In diesem Buch werden 3 Geschichten erzählt, wieder sind es die Rückblicke auf Einzelschicksale, die Momente in denen Leben zu Chaos wird. Aus vermeintlich banalem Dasein - ein Berliner Bäcker macht die beste Torte seines Lebens, Carl Tohrberg feiert Weihnachten, der pensionierte Richter Seybold lernt die andere Seite des Gesetzes kennen - entspinnen sich Katastrophen, nicht selten enden sie mit dem Tod.

Das Besondere an von Schirachs Stil, immer schreibt er von Abgründen, von fatalen Entscheidungen, von irreversiblen Kipppunkten, nach denen nichts ist wie zuvor - jedes Wort sitzt, Poesie durch Klarheit sozusagen.

Diese Empfehlung gilt stellvertretend für alle von von Schirachs Büchern.

 

Carl Thorberg: Drei Stories | Ferdinand von Schirach | btb Verlag | 8,00 Euro

 

Spinner

 

An sich ist die Handlung banal: Ein junger Mann irrt durch Berlin auf der Suche nach dem Sinn in seinem Leben. Schon tausend Mal gelesen. Irgendwann in den Neunzigern ist Jesper Lier zwanzig Jahre alt. Durch den Zivildienst hat es ihn von München nach Berlin verschlagen und hier lebt er nun, in einer lochartigen Wohnung im Tiefparterre irgendwo im damals grauen Prenzlauer Berg. Er ist ständig pleite, hält sich gerade so über Wasser, trinkt zu viel, schläft zu wenig und hat seine sozialen Kontakte auf das Nötigste reduziert. Und schreibt und schreibt und schreibt. Seit einem Jahr, an einem Roman, mit dem er hofft, den Durchbruch alsSchriftsteller zu schaffen. Tatsächlich ist Jesper ein junger Mensch, der vor einer großen Leere steht, einen Zustand, den er durch sein permanentes Schreiben an einem endlosen Text überdecken möchte. Die Handlung des Romans umfasst genau sieben Tage, sie fühlt sich beim Lesen viel länger an. 

„Erst bist du jung und machst dir Pläne, und alles scheint möglich, und dreißig Jahre später wachst du auf und stellst fest, dass alles falsch ist. Und du kannst nichts mehr ändern, dabei hast du noch nicht mal große Fehler gemacht. Du hast nur hin und wieder kurz nicht aufgepasst, und schon ist alles vorbei, und es heißt: Das war dein Leben, hat eben nicht sollen sein, Pech gehabt.“ 

 

Spinner | Benedict Wells | Diogenes | 12,00 Euro

Teile dieser Buchbesprechung entstammen dieser Rezension.

 

Die Wahrheit über das Lügen: Zehn Geschichten aus zehn Jahren

 

Völlig zurecht sind unter meinen Top 6 alleine 2 Bücher von Wells. Seit "Vom Ende der Einsamkeit" hänge ich an Wells' Haken, könnte man sagen.

In diesen 10 Geschichten geht es um das Unglück, frei zu sein, um eine Frau, die vor eine existenzielle Entscheidung gestellt wird. Es geht um einen Ort, an dem keiner freiwillig ist und der dennoch zur Heimat wird. Um einen erfolglosen Drehbuchautor der Gegenwart, der in das New Hollywood des Jahres 1973 katapultiert wird und nun vier Jahre Zeit hat, die berühmteste Filmidee des 20. Jahrhunderts zu stehlen. Und nicht zuletzt um eine Erzählung aus dem Universum von "Vom Ende der Einsamkeit", die Licht auf ein dunkles Familiengeheimnis wirft. Selbst hat Wells sein Buch als „Spielwiese für zwischendurch“ bezeichnet, sozusagen zwischen seinem Welterfolg „Vom Ende der Einsamkeit“ und vor dem nächsten Roman. Tatsächlich handelt es sich um eine kreative Sammlung völlig unterschiedlicher Geschichten: charakterlich gänzlich von einander abweichende Protagonist*innen, unterschiedliche Längen und sich nur teilweise überlappende Botschaften. 

Mir haben mit am besten gefallen, die Erzählungen „Die Muse“ und "Die Fliege". Erstere behandelt die Frage danach, wie weit eine Künstlerin (in diesem Fall ist es eben eine Frau) bereit ist, zu gehen. Bislang erfolglos wird Margo von einer männlichen jungen Muse, die tatsächlich lebt, geküsst und über Nacht erfolgreich. Der Preis für das Bestseller-Werk ist jedoch der Tod der Muse, in die Margo sich verliebt hat. Was soll sie tun?

Eine klassische Short Story à la Earnest Hemingway ist „Die Fliege“: Indem der Mann sie im Cocktailglas ertränkt, besiegelt er das Ende seiner Ehe. 

 

Die Wahrheit über das Lügen: Zehn Geschichten aus zehn Jahren | Benedict Wells | Diogenes | 13,00 Euro

Teile dieser Buchbesprechung entstammen dieser Rezension 

 

 

 

Hier außerdem (wie letztes Jahr auch) alle anderen Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe. Falls sich mal jemand mit dem Gedanken trägt, eins dieser zu lesen, feel free to reach out - ich könnte zumindest sagen, ob es sich lohnt ;)

 

Belletristik

  • Together is better | Simon Sinek
  • Unfollow | Nena Schink
  • The Truth about Magic | Atticus
  • Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts | Susann Pásztor
  • Morgen ist es vorbei | Kathrin Weßling
  • Where to Begin | Cleo Wade 
  • Cat Person | Kristen Roupenian
  • Durch die Nacht | Stig Sæterbakken
  • Elf Minuten | Paulo Coelho
  • Der Lauf der Liebe | Alain de Botton
  • Home Body | Rupi Kaur
  • Land in Sicht | Ilona Hartmann 
  • Older but better, but older | Caroline de Maigret, Sophie Mas
  • Sternschanze | Ildikó von Kürthy

 

Politik/Gesellschaft

  • Sprache und Sein | Kübra Gümüşay
  • Anleitung zum Widerspruch | Franzi von Kempis
  • Rework | David Heinemeier Hansson, Jason Fried
  • Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten | Alice Hasters
  • Fifty Shades of Merkel | Julia Schramm
  • Everything is Fucked: Ein Buch über Hoffnung | Mark Manson
  • exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen | Tupoka Ogette
  • Trotzdem | Ferdinand von Schirach, Alexander Kluge
  • Utopien für Realisten | Rutger Bregman
  • Haltung | Meli Kiyak
  • Das Neue Land | Verena Pausder

 

 

Sachbuch/Ratgeber

  • Darm mit Charme | Giulia Enders
  • Zuhause | Daniel Schreiber
  • Die New York Diät | David Kirsch
  • Resilienz ist erlernbar | Birgit Eberle
  • Vom Himmel auf Erden | Christoph Ahlers
  • Easy Money | Margarethe Honisch
  • Cocktailian No. 1 
  • Besser als Sex ist nur besserer Sex | Theresa Bäuerlein
  • Oha, können Sie denn auch operieren? | Dr. Lieschen Müller

 

Feminismus

  • Wenn Mütter bereuen | Orna Donath
  • Ich will kein Kind: Dreizehn Geschichten über eine unpopuläre Entscheidung | Anja Uhling 
  • Frauen & Macht: Ein Manifest | Mary Beard
  • Die Uhr, die nicht tickt: Kinderlos glücklich | Sarah Diehl 
  • Will ich ein Kind? Ja Nein Vielleicht | Melanie Hughes
  • Ich hasse Männer | Pauline Harmange

 

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